Asthma, Allergien und der Klimawandel

UN-Klimakonferenz COP27

Die Ergebnisse des Weltklimarats belegen: Der Klimawandel ist Fakt und er hat gravierende Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Dass auch die Gesundheit der Menschen direkt oder indirekt durch die Klimaveränderungen gefährdet ist, steht ebenfalls außer Frage. Schon jetzt beobachtet man, dass z. B. Patienten häufiger und schwerer an Allergien und Asthma erkranken.

Im November wurde wieder einmal zum Klima getagt. Politiker und Experten aus aller Welt kamen zur UN-Klimakonferenz COP27 in Sharm El Sheik in Ägypten zusammen, um darüber zu diskutieren, wie die bereits bestehenden Folgen des Klimawandels abgemildert und der weitere Anstieg der globalen Erderwärmung abgeschwächt werden können. Die Ergebnisse der Konferenz sind ernüchternd. Die Handlungsbereitschaft vieler Staaten ist nach wie vor mangelhaft. Nicht nur Klimaaktivisten und Klimaforscher, sondern auch Gesundheitsexperten sehen dies mit großer Sorge. Denn die Klimakrise ist vor allem auch eine Gesundheitskrise. Im Gesundheitspavillon der Weltgesundheitsorganisation (WHO) richtete sich der Blick auf die vielfältigen direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit.

Die Klimakrise ist laut Weltgesundheitsorganisation die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit im 21. Jahrhundert.

Auswirkung des Klimawandels auf Asthma und allergische Erkrankungen

Auch Patienten mit allergischen Erkrankungen und Asthma sind unmittelbar von den Klimaveränderungen betroffen. Nicht nur, dass die Erkrankungszahlen in den letzten Jahrzehnten rapide gestiegen sind und heute etwa 1 Milliarde Menschen auf der Welt an Allergien und Asthma leiden. Sondern der Klimawandel und die globale Erwärmung haben in vielerlei Hinsicht direkten Einfluss auf das Auftreten und den Schweregrad dieser Krankheiten.

Professor Ludger Klimek vom Allergiezentrum in Wiesbaden ist Präsident der deutschen Allergologen- Vereinigung AeDA und Vizepräsident der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI). Er zählt einige der umweltbedingten Belastungen für Patienten mit Allergien und Asthma auf: U. a. führen längere warme Jahreszeiten zu längeren Pollenflugzeiten und höherem allergenem Potenzial der Pollen. Naturkatastrophen und Überschwemmungen erhöhen die Luftfeuchtigkeit und damit das Schimmelpilzrisiko. Aufgrund von Luftverschmutzung, Waldbränden und Staubstürmen kommt es bei Asthmapatienten zu mehr Anfällen oder einer Verschlimmerung der Symptome. Hinzu kommt, dass in den letzten 50 Jahren mehr als 200 000 neue, menschengemachte Stoffe in die Umwelt freigesetzt wurden. Bei vielen dieser Stoffe fehlen umfassende Kenntnisse zu ihren möglichen gesundheitlichen Wirkungen auf den Menschen. Wichtig zu wissen wäre z. B., wie entzündungsfördernd und allergen sie sind, ob sie die Hautbarriere angreifen oder die natürliche Keimflora des Menschen schädigen.

Auf der UN-Konferenz COP27 gab es zu dieser Thematik einen Workshop der WHO, an dem u. a. Vertreter der EAACI teilnahmen. Dort wurden einige der wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Zusammenhängen von Klimawandel, Allergien und Asthma erörtert.

Verlust der biologischen Vielfalt

In den letzten Jahren sind zwei Trends erkennbar: der Verlust der biologischen Vielfalt – in nur 48 Jahren ist der Bestand von mehr als 5 000 Wirbeltierarten um 69 Prozent zurückgegangen* – und der gleichzeitige Anstieg von Entzündungskrankheiten. Auf dieser Beobachtung fußt die Biodiversitätshypothese von Professor Tari Haahtela von der Universität Helsinki. Sie besagt, dass die abnehmende Artenvielfalt ein mikrobielles Ungleichgewicht in unseren Schutzschichten, eine gestörte Immunreaktion und ein hohes Risiko für Allergien und entzündliche Erkrankungen verursacht. Die Verbindung zwischen dem menschlichen Körper und den Ökosystemen der Umwelt wird durch das Mikrobiom im Darm, in der Haut und in den Schleimhäuten der Atemwege vermittelt.

Es hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl von Mikroben im Boden, in natürlichen Wasserquellen und in der Umgebungsluft unsere Immunreaktionen positiv lenkt und uns hierdurch ermöglicht, echte Gefahren von vermeintlichen zu unterscheiden. Für seine Gesunderhaltung benötigt der Mensch eine ständige Exposition gegenüber diesen Mikroben. Veränderungen in der Ernährung, mehr Aktivitäten im Freien und Kontakt mit Tieren können daher der Allergieprävention dienen.

Im Rahmen des äußerst erfolgreichen finnischen Allergie-Präventionsprogramms wurde dies bestätigt. Es führte zu einem drastischen Rückgang der Anzahl von Patienten mit allergischen Erkrankungen und Asthma sowie zu außerordentlichen Einsparungen bei den direkten und indirekten Krankheitskosten.

Hypothese der gestörten Haut- und Schleimhautbarriere

Allergische Erkrankungen und Asthma treten in den Industrieländern häufiger auf als in den Entwicklungsländern. Gleichzeitig nimmt jedoch ihre Häufigkeit in den Entwicklungsländern im Zuge der Urbanisierung weiter zu. Intakte Haut- und Schleimhautbarrieren sind von entscheidender Bedeutung, da sie das Gewebe vor Infektionen, Umweltgiften, Schadstoffen und Allergenen schützen. Eine Reihe von allergischen und Autoimmunerkrankungen geht mit einer gestörten Barrierefunktion einher. Dazu gehören Asthma, atopische Dermatitis, al lergischer Schnupfen, chronische Entzündung der Schleimhäute von Nase und Nasennebenhöhlen (Rhinosinusitis), chronisch-entzündliche Erkrankung der Speiseröhre, Zöliakie und entzündliche Darmerkrankungen. Professor Cezmi Akdis, Leiter des schweizerischen Allergieforschungszentrums SIAF, stellte dazu die Hypothese der Epithelbarrierestörung vor. (Als Epithel bezeichnet man Grenz- oder Deckgewebe, die die inneren und äußeren Oberflächen des Körpers auskleiden.) Die Hypothese lautet: Ursache für die Zunahme von allergischen und chronisch-entzündlichen Erkrankungen in den letzten fünfzig Jahren ist die Tatsache, dass die Menschen zunehmend Stoffen ausgesetzt sind, die die Epithelbarriere schädigen (z. B. Waschmittel, Haushaltsreiniger, Emulgatoren und Konservierungsstoffe in verpackten Lebensmitteln und viele bisher nicht identifizierte Chemikalien).

Überwachung von Pollen- und Pilzsporenflug

Längere warme Jahreszeiten erhöhen die Menge an Allergenen und verlängern die Pollensaison. Pollen lösen jedoch nicht nur Allergien aus, sondern ebnen auch den Weg für Schleimhaut- und Virusinfektionen. Um den gesundheitlichen Folgen vorzubeugen, müssen frühzeitige Vorhersage-, Warn-, Prognose- und Präventionsstrategien entwickelt werden. Umweltmedizinerin Professor Claudia Traidl-Hoffmann von der Universität Augsburg stellte dazu ihre aktuelle Forschung vor: eine automatische Echtzeitüberwachung von Bioaerosolen, die mit Bildverarbeitungsanalysen und Algorithmen des maschinellen Lernens arbeitet. Diese Methode erreicht, so zeigt eine Studie, eine Genauigkeit von 70 bis 90 Prozent. Das ist eine große Verbesserung gegenüber den in der Vergangenheit verwendeten manuellen Geräten. Dies ist u. a. erforderlich, um Pollenarten, -mengen und -orte zu verstehen und vor Risiken zu warnen.

Umweltverschmutzung

Menschen mit allergischem Asthma spüren Veränderungen der Luftqualität und eine Zunahme von Luftschadstoffen besonders stark. Professor Blandina Mmbaga ist Direktorin des Kilimanjaro Clinical Research Institute in Tansania. Sie stellte die Ergebnisse der Studie Children Air Pollution Profile in Africa (CAPPA) in Tansania vor. Im Rahmen der Studie wurden 919 Kinder untersucht und ermittelt, welcher Feinstaubbelastung die Kinder ausgesetzt waren. Der von der WHO empfohlene Grenzwert wurde insbesondere in Industriegebieten und während der Pendlerzeiten deutlich überschritten.

Die Studie veranlasste die Regierung, sich für gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität, die Bewertung von Luftverschmutzungsquellen, die Bereitstellung von Asthma-Notfallkits für Schulen und eine verstärkte Aufklärung über Asthma einzusetzen.

Staubstürme und Hitzewellen

Abbas Ostadtaghizadeh von der Teheraner Universität für medizinische Wissenschaften im Iran sprach über Allergien und Asthma im Nahen Osten. In dieser Region kommt es häufig zu Staubstürmen, die als Quelle für natürliche Partikel, potenzielle Allergene und Schadstoffe gelten. Gefährlich kann es werden, wenn darüber mikroskopisch kleine Organismen wie Pilzen und Bakterien, einatembare Metallelemente und Feinstaub in die Atemwege und die Lunge gelangen. Jedes Jahr geht dies mit weitreichenden gesundheitlichen Schädigungen und Notfällen einher.

Hauptleidtragende des Klimawandels sind Kinder in aller Welt. Neben den Belastungen durch Luftverschmutzung und Allergene und den daraus folgenden Krankheitsrisiken sind steigende Temperaturen und Trockenheit für Millionen Kinder Ursache für Hunger und Not. Nach Angaben der Welthungerhilfe stirbt alle 13 Sekunden ein Kind an den Folgen von Hunger.

Umweltschutz ist Gesundheitsschutz

In dem Workshop wurde deutlich herausgestellt, dass Gesundheit und Umwelt eng miteinander verbunden sind. Die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und abzumildern bedeutet, Krankheiten wie Asthma und Allergien erfolgreicher verhindern und behandeln zu können. Dafür ist ein gemeinsames und interdisziplinäres Vorgehen erforderlich, etwa in den Bereichen Bildung, Kommunikation, klinische Versorgung, Krankheitsüberwachung, vergleichende Medizin und Umweltforschung, Entwicklung und Bewertung neuer Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe sowie Information und Aufklärung der politischen Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit.

Weitere Informationen zur European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) und zum Workshop auf der UN-Klimakonferenz COP27: https://eaaci.org; https://eaaci.org/news/conference-of-the-parties-27-eaaci-session-who-health-pavillon/. Informationen zum Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V. (AeDA): https://aeda.de

* Living Planet Index, World Wide Fund For Nature (WWF), https://www.wwf.de/living-planet-report

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