Neurodermitis bei Kindern

„Ihr Kind hat Neurodermitis.“ Neurodermitis ist die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung bei Kindern, daher hören viele Eltern diese Diagnose vom Hautarzt. Manche von ihnen kennen sich bereits ganz gut mit der Erkrankung aus. Da die Veranlagung für Neurodermitis vererbt wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Elternteil Neurodermitis hat oder Geschwisterkinder ebenfalls daran leiden. Dennoch stellt sich jedes Mal die Frage neu: Was bedeutet diese Diagnose für das betroffene Kind und den Familienalltag?

Man sollte es ganz klar sagen: Chronische Erkrankungen bei Kindern sind meist eine Herausforderung für die gesamte Familie. Neurodermitis macht da keine Ausnahme. Immer wieder heißt es, im Alltag Rücksicht auf die Erkrankung zu nehmen. Die Behandlungsmaßnahmen müssen beachtet, die besonderen Bedürfnisse des Kindes im Blick behalten werden und bei alldem möchte man, dass das kranke Kind so „normal“ wie möglich aufwächst. Ein schwieriges Unterfangen, das sich nur gemeinsam und am besten mit Unterstützung meistern lässt.

Chronisch-entzündlicher Verlauf

Die Bezeichnung „chronisch-entzündlich“ sagt schon einiges über Neurodermitis aus. Eine Entzündung ist ganz allgemein eine Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems auf einen Reiz. Chronisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Erkrankung nicht nach kurzer Zeit abklingt oder nach einer kurzfristigen Therapie vorbei ist. Im Fall von Neurodermitis heilt sie niemals vollständig aus, sondern begleitet die Betroffenen mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt ein Leben lang. Grund dafür sind spezielle, genetisch bedingte Eigenschaften der Haut. So hat die Haut von Neurodermitispatienten eine erhöhte Entzündungsbereitschaft, d. h. Entzündungen können bereits bei geringfügigen Reizen aufflammen. Außerdem sind die Hautzellen der obersten Hautschicht schlechter miteinander vernetzt. Das hat zur Folge, dass die sogenannte Hautbarriere weniger stabil ist, die Haut zu Trockenheit neigt, weniger gut vor äußeren Einflüssen geschützt und daher sehr empfindlich ist.

Das Zusammenspiel von schnell reizbarer Haut, erhöhter Entzündungsbereitschaft und geringem hauteigenen Schutz ist denkbar ungünstig. Um die Neurodermitis in den Griff zu bekommen, muss man lernen, mit diesen Besonderheiten der Haut umzugehen. Bei erkrankten Kindern sind hier zunächst die Eltern gefordert.

Leben mit Neurodermitis

Vorab sollte klar sein: Neurodermitis verläuft bei jedem Patienten anders. Es gibt Phasen mit heftigen Krankheitszeichen, sogenannte Schübe, die sich mit nahezu erscheinungsfreien Phasen abwechseln. Ziel ist es, Krankheitsschüben vorzubeugen und die erscheinungsfreien Phasen möglichst lange hinauszuzögern. Dafür gibt es kein Patentrezept, aber einige Maßnahmen, die wesentlich dazu beitragen.

Therapiebausteine

Die einzelnen Behandlungsbausteine wählt der Hautarzt nach der Schwere der Neurodermitis aus. Üblicherweise ist die Therapie stufenweise aufgebaut, d. h., mit zunehmendem Schweregrad werden Therapiemaßnahmen ergänzt.

Stufe 1 (Basistherapie)

ist die Grundlage jeder Neurodermitistherapie. Hierzu gehören die regelmäßige Hautpflege und das Meiden von auslösenden Faktoren.

In Stufe 2 (topische oder lokale Therapie)

verordnet der Hautarzt wirkstoffhaltige Cremes oder Salben, die auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen werden. Die Wirkstoffe hemmen die Entzündung und lindern den Juckreiz.

In Stufe 3

bleibt es bei einer topischen Therapie. Hier wählt der Hautarzt Cremes und Salben, die eine höhere Wirkstärke haben.

Bei andauernden, schweren Ekzemen reicht eine topische Therapie oft nicht aus.

In Stufe 4 (systemische Therapie)

werden Medikamente verordnet, die innerlich wirken.

Zusammenarbeit mit dem Hautarzt: Große Bedeutung hat die kontinuierliche medizinische Betreuung durch den Hautarzt. Er stellt, abhängig vom akuten Hautzustand, die Therapie zusammen und ist Ansprechpartner bei allen Fragen zur Erkrankung.

Eltern und Kind sollten sich bei dem behandelden Arzt gut aufgehoben und betreut fühlen. Es sollte möglich sein, dass jeder seine Fragen stellen und über Unsicherheiten und Probleme im Umgang mit der Erkrankung sprechen kann.

Hautmanagement: Die empfindliche und zur Trockenheit neigende Haut braucht besonders viel Pflege. Eine regelmäßige, dem Hautzustand angepasste Hautpflege hilft dabei, die Hautbarriere zu stabilisieren.

Die gesamte Haut sollte auch in Phasen ohne erkennbare Krankheitszeichen 1- bis 2-mal täglich, am besten morgens und abends, eingecremt werden. Ist die Haut sehr trocken, empfiehlt sich noch häufigeres Eincremen. Im Anschluss ans Baden oder Duschen folgt ebenfalls komplettes Eincremen. Jede Eincremeprozedur braucht Zeit. Diese Zeit sollte unbedingt in den Tagesablauf eingeplant werden. Ansonsten gibt es Stress und schlechte Stimmung. Wenn es gelingt, das Ganze in Ruhe und bei kleineren Kindern spielerisch durchzuführen, wird Hautpflege zur Routine, die nicht mit negativen Eindrücken verbunden ist.

Meiden von Reizfaktoren: Häufig lässt sich nicht vorhersagen, was einen Schub auslöst. Da aber bekannt ist, dass die Haut auf Reize sehr empfindlich reagiert, kann man versuchen, Reizauslöser zu vermeiden (s. Kasten).

In den ersten Lebensjahren sind manchmal bestimmte Nahrungsmittel Auslöser eines Schubes. Besteht dieser Verdacht, sollte man dies unbedingt von einem Arzt abklären lassen. Nur wenn eine Allergie oder Unverträglichkeit auf bestimmte Nahrungsmittel diagnostiziert wurde, sollten diese weggelassen werden.

Mögliche Reizauslöser bei Neurodermitis (Provokationsfaktoren)
  • Allergene – das sind Stoffe aus der Umwelt, die eine Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems auslösen; Allergenquellen sind z. B. Pollen, Tierhaare bzw. Tierspeichel, Hausstaub oder Nahrungsmittel
  • Hautreizungen durch falsche Hautpflege, z. B. übermäßige Hautreinigung, heißes, langes Baden
  • Hautreizungen durch kratzende Kleidung oder luftundurchlässige Materialien, die zum Wärmestau führen und Juckreiz verstärken
  • Zigarettenrauch und Umweltschadstoffe
  • Klimafaktoren wie z. B. trockene Heizungsluft, Kälte oder auch warme, schwüle Luft im Sommer
  • Infektionen der Haut (Bakterien, Viren, Pilze)
  • Psychische Belastungen, emotionale Anspannung, Stress und Aufregung – der Einfluss der Psyche auf das Immunsystem sollte nicht unterschätzt werden

Familienalltag: Eine Erkrankung wie Neurodermitis nimmt viel Raum im Familienalltag ein. Selbst wenn alle Abläufe gut organisiert sind, wird aber nicht immer alles nach Plan laufen. Dabei spielen u. a. auch psychische Belastungen eine Rolle. Eine anhaltend juckende Haut macht natürlich dem Kind zu schaffen. Es ist nachvollziehbar, dass es schneller wütend, traurig oder einfach übermüdet reagiert. Eltern, die nie zur Ruhe kommen und sich ständig Sorgen um ihr krankes Kind machen, stoßen ebenfalls schneller an ihre Belastungsgrenze. Und dann gibt es möglicherweise noch Geschwisterkinder, die sich hin und wieder zu wenig wahrgenommen fühlen.

Neurodermitis sollte nicht das alles bestimmende Thema in der Familie sein. Das kranke Kind und auch Geschwisterkinder sollten jedoch altersgerecht über die Erkrankung Bescheid wissen.

Viele Eltern neigen dazu, bei kranken Kindern besonders fürsorglich zu sein. Je älter das Kind wird, desto wichtiger ist es jedoch, seine Eigenständigkeit zu stärken, gerade auch im Umgang mit Neurodermitis.

Ab einem bestimmten Alter sollten Eltern ihr Kind ermutigen, das Hautmanagement selbst zu übernehmen.

Kindergarten, Schule, Sportverein: Sei es im Kindergarten, in der Schule oder im Sportverein – sobald das Kind längere Zeit alleine unterwegs ist, muss es mit seiner Krankheit selbst zurechtkommen. Dabei braucht es Unterstützung und Verständnis.

Vor allem bei jüngeren Kindern ist es sinnvoll, Erzieher, Betreuer, Lehrer und Trainer über die Neurodermitis zu informieren. Auf diese Weise lassen sich mögliche Konflikte oder Lernprobleme besser einordnen, z. B. wenn das Kind durch mangelnde Konzentration auffällt, weil es wegen stark juckender Ekzeme nachts nicht schlafen konnte. Auch Stimmungsschwankungen können auf einen Schub zurückzuführen sein. Manche Kinder reagieren besonders gereizt, andere ziehen sich zurück.

Kinder wollen in der Regel Normalität und keine Sonderrolle. Da chronisch kranke Kinder immer wieder mit ihrer Krankheit und ihrem Anderssein konfrontiert werden, tun sie sich oft schwer damit, Selbstvertrauen aufzubauen. Bei Neurodermitis kommt noch hinzu, dass die Ekzeme oft für alle sichtbar sind und die betroffenen Kinder fürchten, auch aufgrund ihres Aussehens abgelehnt zu werden.

Eltern, aber auch Lehrer und Erzieher sollten die Stärken des Kindes fördern und ihm neue Herausforderungen zutrauen. Anderen Kindern und ggf. auch deren Eltern sollte man erklären, dass Neurodermitis nicht ansteckend ist. In der Schule kann die chronische Erkrankung eines Schülers Anlass dafür sein, im Unterricht Themen wie Akzeptanz, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme zu besprechen.

Umgang mit Juckreiz: Für viele Kinder ist die heftig juckende Haut eines der quälendsten Symptome der Neurodermitis. Kratzen verschafft jedoch keine anhaltende Linderung. Im Gegenteil: Es führt zu Hautverletzungen und fördert damit die Entzündung. Kratzattacken sollten also unbedingt vermieden werden. Doch selbst wenn man dies dem Kind verständlich machen kann, wird es den Kratzimpuls nicht immer unterdrücken können.

Ständige Ermahnungen, nicht zu kratzen, helfen nicht weiter. Sie können zusätzlich belasten und Stress erzeugen. Besser ist es, gemeinsam Strategien gegen das Kratzen zu entwickeln. Für eine gewisse Zeit hilft Ablenkung und das Beschäftigen der Hände, z. B. mit Spielen und Basteln. Auch das Auflegen eines kalten Waschlappens sowie Eincremen mit einer gekühlten Creme können Linderung bringen. Auf jeden Fall sollten die Fingernägel immer kurz gehalten werden. Das senkt das Verletzungsrisiko. Um zu verhindern, dass die Haut im Schlaf aufgekratzt wird, können dünne Baumwollhandschuhe übergezogen werden. Spezielle Neurodermitisschlafanzüge mit Hand- und Füßlingen können ebenfalls eine gute Lösung sein. Diesbezüglich lohnt es sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob im Rahmen einer Zusatzleistung die Kosten übernommen werden.

Informieren und sich helfen lassen: Das Leben mit einer chronischen Erkrankung wie Neurodermitis ist eine Herausforderung. Es wird einfacher, wenn man gut über die Erkrankung Bescheid weiß und ggf. Hilfe in Anspruch nimmt. Im Regelfall übernehmen auf Antrag die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Schulung.

Umfangreiche Informationen und Links zum Thema Neurodermitis finden Sie auf unserer Internetseite unter: www.haut-und-allergiehilfe.de/themen/neurodermitis. Dort gibt es u. a. unseren Elternratgeber mit Empfehlungen und praktischen Tipps zum Leben mit Neurodermitis sowie vertiefende Informationen zum Thema Juckreiz bei Neurodermitis.

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